Mein Leben mit dir

 

 

 

Ich könnte einen ganzen Roman über dich schreiben, soviel Erinnerungen schwirren an dich im meinem Kopf herum und alle sind schmerzlich in meinem Herzen verankert. Aber ich will mich auf die schönsten und auch witzigen Erinnerungen aber auch auf die letzten Momente mit dir beschränken.

 

Niemals werde ich den Tag vergessen, als ich dich das erste Mal sah. Es schwirrten soviel Babys bei der Züchterin rum, aber du warst der Munterste und Frechste von allen. Freunde von uns, die Erfahrung mit Ragdolls hatten, begleiteten uns damals und als wir auf dich zeigten, meinten sie :*Der ist o.K“ (Du warst im meinem Leben mehr als o.K. du warst meine Liebe). Als du dann müde wurdest, nach dem wilden Spiel bei der Züchterin, verzogst du dich auf eine blaue Decke. Da musste ich sofort an Linus mit der Schmusedecke von den Peanuts denken und dein Name war in diesem Moment festgelegt.

 

Ein paar Wochen später – du warst knapp 16 Wochen alt – durften wir dich dann nach Hause holen. Du warst von Anfang an überhaupt nicht scheu und hast unsere Wohnung bis in die kleinste Ecke erkundet. Filia hat dich sofort akzeptiert (sie war halt eine kleine Mutter Theresa) und hat vom ersten Tag an auf dich aufgepasst. Du bist oft nicht fein mit ihr umgegangen, hast sie von hinten spielerisch angegriffen, ihr mit Wonne in den Hals gebissen und warst überhaupt so frech zu ihr. Sie hat dir alles verziehen und ihr Beide wurdet schnell ein Team – wobei du doch recht schnell den Part des Chefs übernommen hast.

 

Du wurdest größer und entwickeltes dich zu einem wunderschönen und stattlichen Kater. Du warst Zeit deines Lebens so interessiert an allem, warst immer dabei, wenn was los war. Du warst bei der Hausarbeit, beim Kochen, Betten beziehen und allen täglichen Arbeiten immer in vorderster Front und kommentiertest alles mit deiner so einzigartigen Stimme. Du warst ein richtiges kleines Plappermaul.

 

Du warst aber auch sehr gelehrig und hast dir vieles vom Zuschauen angenommen. Nie werde ich vergessen, als meine Schwester mit ihrem damaligen Yorkshire Rocky bei uns zu Besuch war. Du und Rocky – ihr Beide habt euch gleich toll verstanden. Rocky hat dir gezeigt, wie man dem Mülleimer ausräumt, um an leckere Hähnchenreste zu kommen. Diese sind euch leider Beide nicht bekommen und ihr habt sie postwendend wieder rausgebracht :-) . Rockys Spezialität war, sich auf die Hinterpfoten zu stellen und Bettelmännchen zu machen. Du hast dir das genau angeschaut und als der Besuch weg war, standest du abends im Flur und machtest genau dieses Bettelmännchen. Wir mussten damals so lachen, aber du hast dein Bettelmännchen bis ins hohe Alter beibehalten – du wusstest genau, daß du alles bekommst, wenn du dich auf die Hinterpfoten stelltest.

 

Überhaupt warst du sehr aufgeschlossen gegenüber Besuchern. Wenn man dir dann Aufmerksamkeit geschenkt hat, bist du zu Hochform aufgelaufen und hast allen möglichen Blödsinn gemacht, bist unter den Teppich gekrochen (einfach zu zeigen, daß du es kannst), hast wild mit deinem Spielzeug gespielt und so oft für Lacher unter unseren Gästen gesorgt. Du warst ein richtiger Clown.

 

Bei all deiner Clownerie, warst du doch auch ein sehr anhänglicher Kater. Während Filia mehr die Herrchen-Katze war, warst du von Anfang an mein Kater. Du hast mir mit so vielen Gesten deine Liebe zu mir gezeigt, hast für mich eigene Laute entwickelt, die du nur mir gegenüber angewandt hast. So vergingen die Jahre und wir wurden immer inniger miteinander. Ich konnte nicht ohne dich und du nicht ohne mich. Selbst bei kleinen Wochenendreisen, vermisste ich dich schon, wenn ich ins Auto stieg und freute mich auf die Wiederkehr zu dir.  

 

Apropos Autofahren : Es war nie ein Problem mit dir auch längere Strecken zu fahren. Wie oft waren wir mit dir und Filia bzw. später mit Sassy in deiner zweiten Heimat bei deiner Schwiegerdosi im Allgäu. Du hast dich dort immer so wohl gefühlt, hast es genossen im Wintergarten zu liegen oder den halben Tag die Treppen rauf und runter zu flitzen. Es war immer ein Akt mit dir, wenn es dann hieß es geht wieder nach Hause. Wir mußten alle Türen schließen, damit du dich nicht verstecken konntest. Wir hatten oft das Gefühl, du wolltest dort nicht weg - na ja einen Wintergarten und Treppen konnten wir dir zu Hause nun einmal nicht bieten. Wenn wir dann aber wieder daheim angekommen sind, war alles vergessen und du hast sofort wieder deine Lieblingsplätzchen eingenommen und den Sommer auf deinem Balkon genossen.

 

Als du 12 Jahre alt warst, musste dann deine Filia wegen Nierenversagens von dir gehen. Da du nie alleine warst, wollten wir dir wieder eine neue Gefährtin an deine Seite stellen und so zog Sassy bei uns ein. Du fauchtest sie Anfangs öfter an, warst aber andererseits gemäß deiner Art so neugierig, daß du sie immer aus der Ferne beobachtet hast. Es dauerte eineinhalb Wochen, dann lagt ihr auf einmal Nachts bei mir im Bett ganz eng aneinander gekuschelt. Von da an wart ihr die besten Freunde, mehr noch als du und Filia. Ihr kuscheltet zusammen, du putztest Sassy immer so fürsorglich (sie sah dann teilweise aus wie ein Irokese) und warst ihr großer Bruder und Beschützer. Ihr wart wirklich ein Katzen-Dreamteam und man merkte euch den Altersunterschied überhaupt nicht an. Du warst teilweise verrückter als Sassy und hast oft nicht gewusst, wann du aufhören sollst, sie zu jagen. Wenn sie genug hatte, wolltest du das nicht akzeptieren und hast lautstark protestiert.

 

Aber auch du wurdest älter und ein klein wenig ruhiger. 2014 wurde bei dir eine starke Schilddrüsenüberfunktion und CNI im 3. Stadium festgestellt. Erst einmal brach eine Welt für mich zusammen, aber ich nahm den Kampf um dich auf und habe sowohl die SDÜ als auch deine Nierenwerte ganz gut im Griff gehabt. Du hattest nach der richtigen Einstellung der Medikamente wieder richtig Freude am Leben und man merkte dir so oft dein Alter überhaupt nicht an. Aber du wurdest im Alter auch immer verschmuster, lagst so oft Nachmittags in meinem Arm, senktest dein Köpfchen, damit ich meine Stirn darauf legen kann ( so verharrten wir manchmal Minutenlang) und folgtest mir noch mehr Schritt auf Tritt.

 

2015 hattest du dann eine schwere Krise. Du wolltest nicht mehr futtern (hast dich regelrecht weggedreht), hattest starken Durchfall und heftiges Erbrechen. Wir haben dich dann für einen Tag in die Tierklinik Kempten geben müssen (wir waren bei Schwiegerdosi gerade im Urlaub) und ich bangte um den Anruf, was mit dir ist. Sie stabilisierten dich etwas und wir konnten dich nach Hause holen. Aber du wolltest immer noch nicht futtern, und verzogst dich in die äußerste Ecke. Dein Herrchen meinte, vielleicht willst du nicht mehr, aber ich gab dich nicht auf. Ich versuchte dich immer wieder zum futtern zu animieren und legte mich neben dich um dir ins Öhrchen zu flüstern. Am dritten Tag wurde meine Mühe belohnt und du nahmst die ersten Bissen zu dir. Ich päppelte dich dann wieder vollständig auf und du warst wieder fröhlich und sogar wieder verspielt.

 

Danach hattest du öfters mal kleine Krisen, die ich aber jedes Mal mit viel Geduld in den Griff bekam und du warst mir so dankbar, das fühlte ich genau.

 

Dann kam dein 18. Geburtstag und ich merkte im Stillen, daß du alt wirst – auch wenn du immer noch locker auf den Küchentisch oder in die Badewanne sprangst. Aber du wurdest sehr dünn, obwohl du meist sehr gut gefuttert hast. Für mich warst du trotz deiner Dürrheit immer noch der schönste Kater der Welt, denn Liebe unterscheidet nicht. Mitte des Jahres begann dann dein eines Nasenloch ständig zu laufen und sich zu gelblichem Ausfluß zu entwickeln. Ich putzte dir immer dein Näschen und so störte es dich nicht weiter, du hast trotzdem gerne und gut gefuttert. Aber ich wusste ganz im inneren meines Herzens, daß nun dein Nasentumor am ausbrechen ist. Im September war es nur eine kleine Beule, die sich bemerkbar machte, aber Anfang Oktober wurde es schlimmer, der Tumor drückte auf dein rechtes Auge und wurde immer größer. Ich litt unsäglich, denn ich wusste, nun wird es langsam Zeit Abschied zu nehmen. Mitte Oktober bat ich dich im Stillen noch um ein gemeinsames Wochenende und das hast du mir gewährt. Ich habe versucht, meine Tränen zurück zu halten, damit du es mir nicht anmerkst wie es um mich steht. Von Sonntag zu Montag habe ich die ganze Nacht mit dir im Arm gelegen und dir viel erzählt. Du kuscheltest dich ganz fest an mich, als wenn du wüsstest, daß wir bald getrennt sein würden.

Mit deinem Auge wurde es dann immer schlimmer und deine langjährige Tierärztin, sagte, daß du bald Schmerzen bekommen würdest. Das hättest du nicht verdient und so habe ich schweren Herzens entschieden, dich gehen zu lassen.

Du bist ganz friedlich in meinen Armen zu Hause eingeschlafen und ich erlaubte mir erst, Tränen zu vergießen, als dein Köpfchen auf meine Hand sank.

Ich weiß, daß ich dir mit meiner Entscheidung das letzte Mal meine Liebe bewiesen habe, aber es tat so unendlich weh und in meinem Inneren schrie ich *Nein, nicht mein Linus*.

Nun bist du nicht mehr bei mir, aber du lebst in meinem Herzen weiter und wir werden uns irgendwann wieder sehen.

 

Ich möchte an dieser Stelle auch meiner Tierärztin, Frau Dr. Blessing danken, daß sie es dir ermöglicht hat zu Hause deinen letzten Weg anzutreten und sie so eine einfühlsame Sterbebegleitung an den Tag legte.

 

Auch den Mitarbeitern vom Portaleum möchte ich danken, sie haben sich wirklich sehr mitfühlend verhalten und fanden es selbstverständlich, daß mir sowohl bei deiner Abholung als auch bei deiner Wiederkehr die Tränen gelaufen sind. Du warst unser Familienmitglied, nein du warst mehr als das – du warst unser kleiner Junge, du warst mein kleiner Junge – du warst mein Leben.